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  • Praxisschließung wegen Corona

    Praxisschließung wegen Corona

    Es hat nach dem ersten Lockdown 1341 Tage gedauert, dann erwischte Covid-19  auch unsere Praxis. Am 20.11. fiel Dr. Sensse aus, da gab es noch eine Notsprechstunde. Am 23.11.23 war dann auch Frau Dr. Sensse positiv getestet und wir mussten schließen.

    Ausgefallen sind ein Donnerstag und ein Freitag. Insgesamt 110 Patienten müssen wir nun in den nächsten Wochen irgendwie ins Programm schieben. Aktuell bekommen wir jeden Tag um die 10 Absagen wegen Infekten, Grippe oder Corona – leider meist erst am frühen Morgen für den laufenden Tag. Vor Weihnachten sollte der Stau wieder abgearbeitet sein.

    Was kann man lernen? Eigentlich nichts. Den Ratschlag, die Praxis in 2 Teams zu teilen, die dann möglichst wenig Privatkontakte in der Grippezeit haben, mögen wir nicht. Genau wie der politisch nachvollziehbare Wunsch, die Ärzte mögen getrennt Urlaub planen, damit immer jemand für die Patienten da ist, wird das nichts in einer Gemeinschaftspraxis von Ehepartnern.

    Masken tragen in der Grippezeit geht, stört leider die Kommunikation sehr.

    Nebenbei: Man kann sich noch gegen Corona und gegen Grippe impfen lassen, die Saison ist nicht vorbei.

  • Das Bürokratie-Folgeabschätzungsgesetz (BüFoG)

    Die Hausärzte diskutieren aktuell ein Bürokratie-Folgeabschätzungsgesetz (BüFoG). ich finde das richtig und bin nur traurig, dass es da keinen gemeinsamen Antrag der Fach- und Hausärzte gibt.

    Der ganze Text aus der Delegiertenversammliung der Hausärzte ist hier:

    Die Delegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes e.V. fordert die Politik nachdrücklich auf, ein „Bürokratie-Folgeabschätzungsgesetz“ (BüFoG) auf den Weg zu bringen. Dieses ist so auszugestalten, dass es künftig eine gesetzlich verankerte Notwendigkeit wird, vor der Einführung neuer Gesetze und Verordnungen sowohl den Zeitaufwand als auch den Kostenrahmen für die Arztpraxen zwingend zu prüfen und zu veröffentlichen! Zur Bewertung der Ergebnisse des BüFoG sind unabhängige Bürokratiebeauftragte zu benennen, die für die Evaluierung neuer Gesetzesvorhaben im Hinblick auf den zu erwartenden bürokratischen Mehraufwand verantwortlich sind.

    Begründung
    Zahlreiche Gesetze haben durch eine einseitig verfahrensfxierte Sichtweise zu einem ungewollten bürokratischen Mehraufwand in den Arztpraxen geführt. Es ist daher zwingend erforderlich, eine Bürokratiefolgenabschätzung (analog zu anderen Folgenabschätzungen in Gesetzgebungsverfahren für Umwelt, Kosten etc.) verpflichtend in den Gesetzgebungsprozess einzuführen.
    Durch diese gesetzliche Vorgabe und die explizite Benennung von Verantwortlichen kann Bürokratie in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren bereits im Vorfeld eingedämmt werden. Zwar ist ein gewisses Maß an Bürokratie für das Funktionieren eines Rechtsstaates unerlässlich. Allzu oft werden jedoch Detailregelungen getroffen, deren Folgen für den weiteren Arbeitsablauf oder den gesamten Kontext nicht bedacht – oder ignoriert werden.

    Ein zu hoher Verwaltungsaufwand schränkt die Praxen sowohl in der Versorgung der Patientinnen und Patienten als auch in ihrer Wirtschaftlichkeit ein. Papierkram und unnötige Dokumentationen binden nichtnur das ohnehin knappe Fachpersonal, sondern schrecken auch potenziellen Nachwuchs ab. Diesbeeinträchtigt langfristig die ambulante Patientenversorgung insgesamt.

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Quelle https://www.hausaerzteverband-niedersachsen.de/images/verband/presse/Presseinfos_2023/Antrag_30_B%C3%BCFoG.pdf

  • Der Hausarztvermittlungsfall als Tempomacher

    Seit dem 1.1.2023 gibt es ein paar neue Abrechnungsmöglichkeiten und schon gibt es kluge Menschen, die neue Optionen für schnelle Terminvermittlungen unter Umgehung der Warteschlange sehen. Grundsätzlich muss man sagen, dass der Gesetzgeber mit seinen vielen Initiativen von der Terminservicestelle über die offene Sprechstunde, die Neupatientenregelung bis jetzt zum Hausarztvermittlungsfall die Anzahl der möglichen Facharzttermine nicht verändert hat. Dazu müsste er entweder mehr Fachärzte ausbilden und zulassen oder die jetzt vorhandenen Fachärzte durch irgendetwas (Wertschätzung, mehr Geld, weniger Bürokratie oder mehr zu Personal delegierbare Leistungen) zu mehr Terminen in der gleichen Zeit motivieren. Ein schöner Traum, so etwas hat noch kein Gesundheitsminister getan. Bei den ersten drei Punkten ist eher das Gegenteil ein Problem.

    Das GKV-Stabilisierungsgesetz ist also eine neue Variante, den Mangel zu ignorieren. Jeder Termin, den der Hausarzt dringend vermittelt, fehlt woanders. Es ist auch nicht so, dass Haus- und Fachärzte vorher nicht telefoniert haben und ein Gesundheitsminister uns nun diese wichtige Option aufzeigt. Nein: Der Hausarztvermittlungsfall gibt nur jetzt etwas Geld unter eng umrissenen Bedingungen für die Terminvermittlung durch den Hausarzt und deutlich mehr Geld unter großzügigeren Bedingungen an den Facharzt.

    Was bedeutet das konkret?

    Der Hausarzt sieht einen dringenden Behandlungsbedarf und ruft beim Facharzt an. Wenn er einen Termin bis zum 4. Folgetag erwirkt, darf er eine 03008 a 15 € fürs Telefonieren oder fürs Notfallfax abrechnen, muss aber noch den Patienten über den Termin informieren.

    Der Facharzt bekommt für den Anruftag und den Folgetag einen Zuschlag der doppelten Grundpauschale, also für einen Erwachsenen 44,12 € beim Orthopäden und dazu den Patienten extrabudgetär, was je nach Arbeitsumfang und Praxiskonstellation noch einmal bis 50 € zusätzlich bedeutet.

    Für den Patienten, der am Tag 2-4 nach Anruf im Programm ist, gibt es 100 %, also um 20 € extra, bis 14 Tage 16 € extra und bis zum 35. Tag 8 € und dazu immer dieses mathematisch schwer im Wert festzulegende: „Der Patient ist extrabudgetär.“ Bei uns bedeutet extrabudgetär zum Beispiel nichts, weil sowieso alle Rheumapatienten extrabudgetär sind. Anders könnten wir die aufwändige Rheumatologie in einer orthopädischen Praxis nie betreiben.

    Der guten Ordnung halber: Die Regelung Hausarztvermittlungsfall löst die Neupatientenregelung ab, bei der die Fachärzte alle „Neupatienten“, also alle, die sie in den letzten 2 Jahren nicht gesehen hat, extrabudgetär bezahlt bekam. Damit wollte man die Fachärzte motivieren, mehr Neupatienten zu nehmen. Da das die Kapazitäten nicht erweitert hat, hat es nicht funktioniert – siehe oben. Den Fachärzten hat man mit dem Hausarztvermittlungsfall richtig viel Geld weggenommen. Entsprechend sauer sind viele Fachärzte über die neuen Regeln.

    Das regte dann gleich einige MVZs zum kreativen Umgang mit dem Gesetz (traditionell Betrug genannt) an. Es ist nicht gemeint, dass der Facharzt geplante Patienten zum Hausarzt schickt, damit der 3 Tage vorm geplanten Termin einmal geplant dringend anruft. Und es ist erst recht nicht gemeint, dass der Facharzt Notfälle, die bei ihm schon am Tresen stehen, zum Hausarzt zwecks Vermittlung zurückschickt. Insbesondere ist ausgeschlossen, dass die Patienten, die die offene Spechstunde besuchen, erst mal zum Hausarzt geschickt werden, um einennVermittlungsfall zu generieren. Diese Ideen sind leider so verbreitet, dass sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu einem Rundschreiben gegen diesen Unfug genötigt sah.

    Es ist übrigens auch nicht gemeint, dass der Patient festlegt, er sei Notfall und der Hausarzt habe für ihn beim Facharzt anzurufen.

    Fazit für uns: Wir haben mehr dringende Anfragen als Behandlungsplätze. Daher werden wir Notfallanfragen mit dem Begleittext „Hausarztvermittlungsfall“ genauso wertschätzen wie alle anderen Anfragen ohne Unterlagen – garnicht. Wenn bei einer Anfrage neben aktuellen schlechten Laborwerten zufällig auch noch eine Anfrage „Hausarztvermittlungsfall“ dabei ist, dann hat der Hausarzt sich nach meiner Meinung die 15 € redlich verdient.

    Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Hausärzte, die Unterlagen und Informationen mitschicken, eher durch Patientenwohl motiviert sind als durch die 15 €. Deshalb machen wir den Mist mit dem Hausarztvermittlungsfall nur eingeschränkt mit. Wir teilen unsere Nummern mit, damit der Hausarzt sein Geld bekommt. Wir bekommen auch etwas Geld. Aber wir werden keinen Patienten vorziehen, weil er hausarztvermittelt ist. Dringlichkeit muss medizinisch begründet sein, nicht pekuniär (lateinisch für geldgetrieben).

    Gut an dem Gesetz finde ich übrigens,  dass es die Haus- und Fachärzte dazu motiviert, sich zu vernetzen. In Gifhorn gibt es jetzt eine Datensammlung mit den Backofficenummern, Fax-, email- und KIM-Verbindungen fast aller Fachärzte. Wegen der Rückrufe soll auch eine Datensammlung der Backofficenummern der Hausärzte dazukommen – sie sind genauso schlecht zu erreichen wie wir, wenn mal Unterlagen fehlen.

    Unsere Kollegentelefon steht übrigens nicht in der Datensammlung. Es gibt leider genug Kollegen, die bei Notfällen schwindeln, damit ihre Patienten eher Termine bekommen und mit denen möchte ich nicht reden. Da möchte ich Unterlagen sehen. Die Weitergabe einer Telefonnummer ist Arztpflicht, die Weitergabe einer Direktrufnummer Vertrauenssache.

    Und das GKV-Stabilisierungsgesetz wäre das erste Gesetz, was mit weniger Geld mehr Leistung generiert. Wir glauben nicht dran.

    Nachtrag 15.2.23: Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Vergabe von Hausarztvermittlungsfällen (ohne medizinische Informationen) mit einem Online- Tool unterstützt. Weil wir Optimisten sind, haben wir 5 Notfalltermine angeboten. Ganz schnell stand der erste Patient drin: Terminservicestelle, Holzminden, keine Dringlichkeit. Projekt Onlinetool ist vorerst gescheitert. EDV im Gesundheitswesen können wir so gut wie Berlin Wahlen.

    Nachtrag 30.5.23: heute hatten wir nach dem Urlaub zum ersten Mal über 70 Hausarztvermittlungsfälle – das kann niemand abarbeiten. Dabei waren neben Briefen, Emails und Faxen erstmals auch e-Arztbriefe über KIM mit Anfragen Hausarztvermittlungsfall. Es ist besonders unglücklich, weil die bisher unbekannten Patienten EDV-technisch angelegt werden müssen, bevor man die beigefügten Unterlagen lesen kann. Anderthalb Stunden vergingen nach Feierabend beim „Nein!-keine Kapazität“ sagen.

    Nachtrag 6.9.23: Zitat einer freundlichem Hausärztin, der ich gerade einen Hausarztvermittlungsfall ohne alle Daten verweigert habe. Vorgeschichte: Der Patient war woanders vorbehandelt, sollte die Unterlagen des (12 km von seinem Wohnort praktizierenden) Vorbehandlers beibringen, bevor er bei uns einen Termin erhält. Anstatt dies zu tun, geht er zur Hausärztin, erklärt den Helferinnen „Ich bekomme bei Dr. Sensse sofort einen Termin, wenn Sie ein Fax mit HAV schicken!“ Die freundlichen Helferinnen machen das und ich maile zur Hausärztin „Was soll das?“ Ihre Antwort: „HAF macht mich als Hausärztin komplett wahnsinnig. Jeder Patient erwartet, dass er eine HAF-Überweisung bekommt und es gibt nur Ärger, wenn der Hausarzt so eine Überweisung verweigert. Es gibt aber auch Praxen, welche die Patienten nur mit HAF annehmen, wobei der geplante Termin seit vier Monaten fest steht! Kann auch nicht sein…“ Recht hat sie und mein volles Mitgefühl. Der Patient bekommt immer noch keinen Termin. Keine Daten – keine Dringlichkeit. Undringliche Termine werden selten. Wenn wir hinten an der Warteschlange Termine in 3 Monaten vergeben, haben wir in 3 Monaten keine Notfallkapazitäten mehr. Das Boot ist voll.

  • Fokus-Siegel

    Fokus-Siegel

    Seit Jahren bekommen wir einmal im Jahr ein dickes, seriös und amtlich aussehendes Schreiben vom Focus, wir seien als die besten Rheumatologen in unserem Bereich ausgezeichnet. Das wundert uns nicht, Herr Dr. Sensse ist der beste, schönste,  faulste und überbuchteste Rheumatologe, weil er der einzige Rheumatologe im Landkreis Gifhorn ist. Das dürfen wir uns an die Wand nageln und und tun das auch, wenn es in dem Jahr keinen guten Kalender für den freien Nagel gibt. Wenn wir  mit dem Focus-Siegel auf der Homepage und im Internet werben möchten, kostet uns das 2300 € im Jahr, die wir natürlich lieber in Personal und  Technik investieren.

    Als Gründe für eine dermassen große Auszeichnung nennt der Focus:

    • Publikationstätigkeit (zuletzt 2008)
    • Qualitätsmanagement (haben wir, muss man heute haben, aber weder zertifiziert noch veröffentlicht, denn auch diese Leute wollen nicht unter 10.000 € für eine Zertifizierung)
    • Patientenzufriedenheit (neben viel Lob hören wir vor allem berechtigte Kritik über schlechte Erreichbarkeit und schlechte Terminlage)
    • Kollegenempfehlung (wir kennen niemanden, der gefragt wurde)

    Als besonderer Witz wurde Herr Dr. Sensse dieses  Jahr auch als Orthopäde und Unfallchirurg ausgezeichnet. Er ist nur kaum noch orthopädisch tätig, weil der Behandlungsbedarf bei Rheumatikern viel höher ist und weist jede Unterstellung, er wäre Unfallchirurg, zurück.

    Es mag richtig sein, dass 2005 die letzten Orthopäden Facharztprüfung hatten und seitdem der Facharzt Orthopädie/Unfallchirurgie heißt. Es ist auch richtig, dass man in 6 Jahren nicht das lernen kann, wofür ein Orthopäde und ein Unfallchirurg früher jeweils 6 Jahre benötigt haben. Deshalb sind in dem gemeinsamen Facharzt operative und intensivmedizinische Kompetenzen weit ausgebaut. Kinderorthopädie, Osteologie, Rheumatologie und selbst die allgemeine Arthroselehre, also alles, was man in der Niederlassung braucht, blieben auf der Strecke. Es könnte also sogar sein, dass Herr Dr. Sensse von dem gemeinsamen Facharzt O und U garnichts hält und die Bezeichnung „Unfallchirurg“ als Beleidigung seiner nichtoperativen Fähigkeiten sieht. Wir wollen hier nicht in die Tiefe gehen, denn dann müsste man die jüngeren Kollegen verärgern, die nicht mehr die Chance hatten, das Fach Orthopädie in seiner ganzen Breite von Ambulanz über Behindertenfürsorge, Gipssprechstunde, orthopädische Operationen, Orthopädieschuhmacherei, Osteologie, Physiotherapie, Rehawesen bis zu den Zusatzausbildungen Chirotherapie und Naturheilverfahren zu erlernen. Das bedeutet nicht, dass die Orthopäden etwas Besseres sind. Unfallbehandlungen und Sportmedizin machen die Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie sicherlich besser als die alten Orthopäden. Es ist nur nicht dasselbe und so ist es ein Witz vom Focus, Auszeichnungen zu verleihen für Leistungen, die man weder erbringen kann noch erbringen möchte.

    Daher begrüßen wir es sehr, dass das Landgericht München dem Focus jetzt zur Unterlassung dieser Scheinauszeichnungen verurteilt hat. Wer es nachlesen will: 4 HKO 14545/21 Ich hoffe nur, ich habe mit der Verlinkung der Quelle jetzt keinen Rechtsbruch begangen.

     

  • 2 Jahre Terminservicestelle

    Seit 2016 soll es die Terminservicestellen geben, für die Sondertermine bekommen Ärzte etwas mehr Geld. Vor allem: Sie bekommen Neupatienten im ersten Behandlungsquartal voll bezahlt,  die Patienten der Terminservicestelle unterliegen nicht der Budgetierung. Ende 2022 werden sie nach dem Willen von Herrn Minister Professor Lauterbach zur Rettung der Kassenfinanzen den anderen Patienten gleichgestellt, die Neupatientenregelung entfällt ersatzlos.

    Zeit, einmal zu schauen, was uns da so an Patienten entgeht:

    Wir hatten in der Zeit vom 1.1.21 – 12.7.22:

    • 157 Termine wurden von uns für die Terminservicestelle bereitgestellt, also 2 pro Woche.
    • 157 Termine wurden von der Terminservicestelle vergeben.
    • 8 Patienten haben abgesagt, weil ihnen der Termin nicht passte oder die Entfernung zu weit ist. 34 Patienten sind nicht erschienen und haben uns mehr Zeit für die anderen Patienten des Vormittages gelassen.
    • 115 Patienten sind zu dem vereinbarten Termin erschienen.
    • 64 der Patienten hatten kein Rheuma. Bei der Hälfte der Patienten haben wir das Rheuma ausgeschlossen. Die andere Hälfte hatte innerhalb der letzten 12 Monate schon einen Termin bei einem Rheumatologen und wollten gerne einen zweiten Rheumaausschluss.
    • 55 Patienten hatten ein Rheuma. Eine besonderes schnelle Terminvergabe über die Terminservicestelle war möglicherweise berechtigt.

    35 % aller dringend wegen eines Rheuma über die Terminservicestelle zugewiesenen Patienten hatten ein behandlungs- oder beobachtungsdürftiges Rheuma. Für ein Notfallverfahren ist das eine sehr schlechte Quote. Wenn wir von den Hausärzten Notfallfaxe mit einigen Angaben bekommen, steigt die Quote der berechtigten Notfälle auf 80%. Das wäre in Ordnung.

    50 % der Patienten hatten eine Anreise vom mehr als 100 km. Stade, Lüneburg, Seesen, Genthin, Bad Lauterberg – all das sind Orte, bei denen der Weg an mindestens 2 Rheumatologen vorbeiführt. Die meisten Patienten kamen mit 8 aus Hildesheim – einer Kleinstadt mit 3 Rheumatologen, allerdings auch mit einem riesigen Einzugsgebiet.

    Leider geht das Gemecker noch weiter: 67 Patienten, also mehr als die Hälfte, hatte zur Erstvorstellung über die Terminservicestelle keine Unterlagen dabei – kein Labor, keine Altbefunde, keine Röntgen- oder MRT-Berichte, manchmal noch nicht einmal die inhaltsleere Überweisung des Hausarztes mit dem Terminservicestellencode. Da unsere Mitarbeiterinnen regelmäßig und bei jeder Terminbestätigung oder – Neuvereinbarung sagen „Bitte Vorbefunde mitbringen!“, ist das eine Respektlosigkeit von Zuweisern und Patienten ohnegleichen. Ohne Unterlagen und Vorbefunde sinkt die Trefferquote, also die Qualität der ärztlichen Arbeit. Daher ist es geradezu eine Forderung des Qualitätsmanagementes, das Verfahren der Terminservicestelle nicht weiter zu unterstützen. Man tut allerdings der Minderheit an Ärzten, die ihre Patienten ordentlich vorbereitet auf die Reise schicken, weh.

    Von den 55 Patienten mit Rheuma, die über die Terminservicestelle kamen, waren in der Dringlichkeit zweifelhaft:

    • 4 Patienten, die gerade in einer Klinik eine Rheumadiagnose bekommen haben und einen Nachbehandler suchten. Die Nachbehandlung sollte die Klinik schon klären, wir nehmen den umliegenden Kliniken auch uns unbekannte Rheumapatienten ab. Dann sind wenigstens die Unterlagen verlässlich da.
    • 2 Patienten aus der eigenen Behandlung, die mit Hilfe der Terminservicestelle einen schnelleren Termin bei uns haben wollten – beide ohne nachvollziehbare Dringlichkeit, einmal ein geklemmter Finger und einmal „Medikamente alle!“.
    • 11 Patienten aus laufender Behandlung, die den Wunsch nach einem Behandlerwechsel hatten. Auch hier kamen 4 ohne Unterlagen, das haben wir abgelehnt – und 7 mit Unterlagen, die haben wir dann auch weiterbehandelt.
    • 8 Patienten, bei denen der Rheumaverdacht oder das sichere Rheuma seit Jahren im Raume standen und die aus Gründen, die nicht der Krankheitsaktivität lagen, plötzlich einen Behandlungswunsch hatten – dann aber dringend. Dabei war oft ein neuer Hausarzt – oder ein Facharzt, der selbst keine Vorunterlagen hatte, der Zuweiser. Aktenstudium hätte geholfen.

    Dreißig mal haben wir aufgrund einer neuen oder in den letzten Monaten zunehmenden Symptomatik Patienten über die Terminservicestelle bekommen, bei denen die Nutzung der Terminservicestelle richtig und nötig war. Das ist nicht einmal jede fünfte Zuweisung. Schade um den Aufwand für die Schaffung dieses Büromonsters.

    Wieso habe ich Zeit, so etwas zu schreiben? Weil die heutige Patientin der TSS nicht erschienen ist.

    Nachtrag 2.2.2023

    Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde der Hausarztvermittlungsfall neu eingeführt. Hier bekommen die Hausärzte 15€ für die Vermittlung eines dringenden Patienten und wir 44 € fürs Abarbeiten am Anruftag oder Folgetag, 22 € für den 2.-4. Tag, also das, was wir so als dringliche Patienten reinbekommen. Und weil der Hausarzt für diese 15 € Unterlagen faxen muss, bekommen wir wirklich dringende Patienten.

    Über die Terminservicestelle bekommen wir die Patienten nicht vor dem 8. Tag, weil das die Software der TSS nicht hergibt, also 16 € und keinerlei Vorinformation. Lieber nehme ich mehr Hausarztvermittlungsfälle oder Notfälle ohne Unterlagen als über die Terminservicestelle. Das Projekt stirbt durch den Hausarztvermittlungsfall.

    Nachtrag 20.2.2023

    Heute habe ich den ersten und vorläufig einzige Terminservicestellenfall gesehen, der irgendwie zwischen die Hausarztvermittlungsfälle gerutscht ist. Der Termin wurde am letzten Mittwoch vergeben – wäre Zuschlag B oder 16 €. Der Patient wartet schon seit Januar auf einen Terminservicestellentermin. Die Wartezeit wurde mir mit angerechnet. So gab es kein Geld, aber Unmut über die Wartezeit.

     

  • Impfstoff von Novavax

    Downdate 9.3.22: In der ersten Woche haben sich um die 15.000 Menschen mit Cocovax impfen lassen, also ein Fünftel eines Promilles. Die Priorisierung ist aufgehoben – wer will, kann den Impfstoff bekommen. Die Hoffnung, dass bis zu zwei Prozent der Bevölkerung oder auch zehn Prozent der Ungeimpften keine Impfgegner sind, sondern nur auf den richtigen nicht so innovativen Impfstoff warten, dürfte dahin sein. Es lohnt nicht mehr, sich mit Novavax zu beschäftigen. Der Beitrag ist damit geschlossen.

    Update 28.2.22: Seit heute ist Cocovax in den Impfzentren verfügbar. Anmeldung über die Hotline 0800 9988665.

     

    Am 20. Dezember hat die europäische Medikamentenagentur mit Nuvaxovid von Novavax den fünften Covid-19-Impfstoff zugelassen. Des bedeutet allerdings nicht, dass wir ihn bestellen können. Unsere Lieferapotheke hat noch keine Informationen.

    Die nächste interessante Frage ist, ob wir ihn bestellen möchten. Die Wirksamkeit von Cocovax gegen Covid- 19 Wildvariante, alpha und beta ist gut, zu Delta und Omikron liegen noch keine Zahlen vor. Cocovax kommt mit dem Versprechen, der erste Totimpfstoff zu sein. Wir sehen darin keinen Vorteil, die anderen Impfstoffe leben auch nicht. Man (wer ist eigentlich man?) erhofft sich eine höhere Akzeptanz bei Menschen, die der MRNA-Technik misstrauen. Das ist zu hoffen.

    Bisher hatten wir genau eine Anfrage, ob wir mit Novavax impfen. Für eine Bestellung brauchen wir 10 impfwillige Ungeimpfte. Derzeit sehen wir pro Woche zwei dieser seltenen Menschen. Fünf Wochen wird niemand auf den Pieks warten wollen, wenn er sich nach acht Monaten Druck und Nachdenken zur Impfung entschlossen hat. Also werden wir bei der Frage nach Novavax ans nächste Impfzentrum verweisen.

    Vielleicht hat es Vorteile, mit dem Impfstoff zu boostern, um noch eine breitere Kreuzimpfung zu bewirken. Das ist allerdings jetzt reine Spekulation.

    Nachtrag 13.1.22: Bisher ist Novavax weder lieferbar noch ist ein Termin angekündigt. Die Firma Novavax erklärt offiziell, dass der Impfstoff gut gegen Omikron funktioniere und dass man an einer an Omikron angepassten Variante des Impfstoffs arbeite (Kommentar: beide Ankündigungen sind erfreulich. Nebeneinander erscheinen sie nicht logisch).

    Nachtrag 25.2.22: Heute Morgen konnten wir alle bei NDR 2 im Radio hören, dass Novavax ab Montag in die Arztpraxen kommt. Leider stimmt das so nicht ganz. Novavax kommt in die Impfzentren, es gibt eine zentrale Anmeldehotline. Wir können zum 7.3.22 nicht bestellen und bekommen den Impfstoff – wenn wir ihn denn haben wollen – frühestens 14.3.22.

    Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Impfen in Arztpraxen (kvn.de): Erste Novavax-​Lieferung ausschließlich an die Länder: Nach Informationen des BMG soll die Auslieferung des zunächst nur in geringen Mengen zur Verfügung stehenden Proteinimpfstoffs Nuvaxovid® von Novavax an den Bund ab 21. Februar beginnen. Der Bund-​Länder-Krisenstab habe entschieden, dass der Impfstoff von dort zunächst ausschließlich an die Länder gehe, hieß es. Ab wann Arztpraxen den Impfstoff bestellen können, ist derzeit noch offen – voraussichtlich aber nicht im ersten Quartal.

    Die Nachricht des NDR ist also gut, aber 4 Wochen zu früh.

  • Vaccine Jansen von Johnson/Johnson

    Nachtrag 18.1.22:

    Mittlerweile ist offiziell, dass ein kompletter Impfschutz mit Johnson/Johnson erst nach „Optimierungsimpfung“ besteht und dass die damit geimpften erst 14 Tage nach der zweiten zusätzlichen MRNA-Impfung als geboostert gelten.

    Nachtrag 8.10.21:

    Die Stiko hat nun bekannt gegeben, dass J/J ein Impfstoff mit unzureichenden Wirkungen ist und dass die Impfung 4 Wochen später mit einem MRNA-Impfstoff, also Biontech ergänzt werden sollte.

    13.5.21

    Es gibt mittlerweile für uns  vier verschiedene Impfstoffe. Mit zweien sind fast alle zufrieden, der Dritte macht Kopfschmerzen. Vaccine Jansen von Johnson/Johnson ist der vierte. Er ist genau wie Vaxzevria ein Vektorimpfstoff, ab 60 Jahren empfohlen und für die Abgabe an jedermann ab 18 Jahren nach Gespräch mit dem Hausarzt freigegeben. Genau wie bei Vaxzevria gibt es ein Problem mit seltenen Thrombosen mit Autoimmunhintergrund. Da hören die Unterscheide allerdings dann auf.

    Hier sind die Wirksamkeitsdaten von der RKI-Webseite (Stand 12.5.21) heruntergeladen und verglichen.

    ImpfstoffWirksamkeit gegen Covid-19Wirksamkeit gegen schwere ErkrankungAnzahl ImpfungenZeit bis zum vollen Impfschutz
    MRNA (Comirnaty oder Moderna)95 %95 %28 Wochen
    Vaxzevria von AstraZeneca80 %95 %26-14 Wochen
    Vaccine Jansen von Johnson/Johnson65 %75 %12 Wochen

    Der Impfstoff ist also gut geeignet, mit dem größten Tempo den geringsten Impfschutz aufzubauen. Leider fehlt die zweite Impfung, so dass es danach nicht besser wird. Ich nehme gerne Ratschläge an, wem ich den Impfstoff empfehlen soll. Bisher sehe ich keinen Grund, ihn zu bestellen. Der Impfstoff von AstraZeneca mit deutlich besserem Impfergebnis ist schließlich verfügbar.

  • Impfstoff von Moderna

    Bis vorigen Samstag haben wir uns im der ambulanten Medizin nicht mit Spikevax von Moderna beschäftigt.

    Irgendjemand hat einmal festgelegt, dass der Impfstoff in der Impfzentren bleibt. Das haben wir nicht mitgeteilt bekommen. Wir haben es nur daran gemerkt, dass im April mit der 88331 für Comirnaty, der 88333 für Vaxzevria und der 88334 für Vaccine Johnson drei neue Abrechnungsnummern eingeführt wurden. Die 88332 für Moderna gab es nicht. Die Computer nehmen sie seit wenigen Tagen.

    Nun ist er da. Es gibt keine allzu großen Unterschiede zu Comirnaty. Ich würde mich ohne Vorbehalte damit impfen lassen und rate das auch allen Patienten. Bei Patientinnen unter dreißig ist war Impfstoff nicht mehr zugelassen. Bei Kindern weiß ich es nicht, würde ihn nicht anbieten.

    Der große Unterschied liegt in der Logistik. Wir können den Impfstoff nach dem Anbrechen 18 Stunden verwenden, damit wäre der Druck aus der Zeitplanung heraus und das Impfen kann „zwischendurch“ erfolgen.

    Das Nervige an dem Impfstoff ist, dass jetzt auch noch Termine abgesagt werden, weil Patienten die Wahl haben und den jeweils anderen Impfstoff wollen.

    Nachtrag 3.12.: Es klappt ganz gut – knapp 10 % der Patienten haben Probleme mit dem Impfstoff-Wechsel und dafür freuen sich andre, weil sie im Impfzentrum zweimal Moderna bekommen und daher Vorbehalte gegenüber Biontech haben.

    Nachtrag 26.1.22: Mittlerweile sorgt die Packungsgrösse 24 Impfungen dafür, dass wir Moderna nicht nachbestellen. So grosse Packungen bekommen wir nicht mehr verimpft, das ist jetzt eine Wochenbilanz. Der Impfstoff war eine gute Sache.

  • Biontech 3. Impfung

    8.10.21

    Die Indikationsliste wurde erweitert auf alle über 80, medizinisches Personal mit Patientenkontakt, Gepflegte und Pflegende nach 6 Monaten. Als Entscheidungsvorlage kommt dazu Patienten mit laufender Chemotherapie nach 4 Wochen und Johnson/Johnson-Geimpfte nach 4 Wochen.

    30.8.21

    Die Auffrischungsimpfung Corona für über 80-Jährige, Autoimmunerkrankte (von Asthma über Rheuma bis Schuppenflechte) ist nun offiziell empfohlen, aber bitte 6 Monate nach der Zweitimpfung. Wir impfen einmal pro Woche und nehmen Anmeldungen entgegen.

    Des Weiteren gibt es eine Impfempfehlung für Menschen, die Bisher 2* AstraZeneca oder einmal Johnson/Johnson bekommen haben – auch hier wird eine Comirnaty von Biontech zum Erreichen des Kreuzimpfungseffektes und damit zum besseren Schutz vor der Deltavariante empfohlen. Für alle anderen Geimpften (also Leute mit 2* Moderna oder 2* Biontech) gilt: Man darf sich 6 Monate später mit Comirnaty boostern lassen. Empfohlen ist es nicht.

    20.7.21

    Mittlerweile zeichnet sich ab, dass ab September eine dritte Impfung mit Biontech für Chemotherapiepatienten, Organtransplantierte, Patienten über 80 und Rheumatiker angeboten wird.

    In den USA läuft das Zulassungsverfahren, in Israel läuft die dritte Impfung schon. Herr Spahn hat es auch schon erzählt, aber das bedeutet leider wenig. Unklar ist, ob das Angebot sich an Rheumatiker unter immunmodulierenden Medikamenten (1600 Patienten) oder alle Rheumatiker (1800 Patienten bei uns) richtet. Wie sagte Frau Merkel einst ohne Rücksicht auf Ressourcen: Wir schaffen das.

    Wir tun das, weil es sinnvoll ist. Es wäre gut, wenn man sich nach anderthalb Jahren Rheumatikerbetreuung unter Coronabedingungen mal wieder mehr ums Rheuma und weniger ums impfen kümmern könnte.

     

     

  • Annahmesperre für Rheuma-Neupatienten

    Schleichend und unbemerkt hat sich die Praxisauslastung verändert. Normalerweise ist es so, dass die Wartezeit für Rheumapatienten um drei Monate ist. Eine Medikamentenschachtel egalwas hält 12 Wochen, die Laborabnahmen sind um 3 Monate Pflicht und es gibt eine Vorgabe, Rheumapatienten unter Basistherapie viermal jährlich anzusehen. So ist der Quartalsrhythmus fest in unseren Köpfen eingeprägt. Die Bestandspatienten nehmen den nächsten Termin in drei Monaten mit und was übrig bleibt, ist die Ressource für Neupatienten.

    Das System ist schon instabil, denn jedes Jahr im Sommer gibt es drei Wochen Urlaub, die dann als Termin nicht zur Verfügung stehen und für weniger Neupatientenlücken im Herbst sorgen. Diese Jahr kommen die vielen Patienten dazu, die während der Hochzeiten von Covid-19 zu keinem Arzt gegangen sind, keine Medikamente genommen haben und ihre mittlerweile anderweitig besetzten Behandlungsplätze jetzt „selbstverständlich“ wiederhaben wollen.

    Die Terminservicestelle schickt 2 Patienten pro Woche, das Notfallverfahren tut ein Übriges und der Patientenschwund durch Wegzug und Unzufriedenheit ist nicht so hoch, dass er Entlastung schafft. Jetzt liegen die nächsten Termine für die Bestandspatienten bei vier Monaten. Der maximal verordnungsfähige Medikamentenvorrat reicht damit nicht bis zum nächsten Termin, die Reaktionen reichen von Verständnis bis Wut. Die Mitarbeiterinnen sind noch genervter, als sie es durch die Lästigkeiten der Impfkampagne und des Maskentragens eh sind. Da wir unsere Kapazitäten nicht ausbauen können, ist eine Begrenzung der Termine für Neupatienten notwendig. So schimpfen nur Menschen mit uns, die wir noch nicht kennen. Das geht einem dann nicht ganz so nahe.
    Das nächste Problem: Neupatienten mit einem Vorlauf über drei Monate erscheinen seltener, weil sie in der Zwischenzeit einen anderen Behandler gefunden haben.

    Aus dem Kapazitätsproblem ergibt sich die nächste Frage: Gibt es zu wenig Rheumatologen?

    Ich glaube nicht, dass es zu wenig Rheumatologen gibt. Es mag zu wenig Hausärzte geben, die dann nicht die Zeit haben, den Patienten zuzuhören, sie zu untersuchen, zu beraten, die Unterlagen zusammenzustellen und dann eine Überweisung zu schreiben. Das schlägt sich auf die Qualität der Zuweisungen nieder:

    • Zehn Prozent der hier vorgestellten Rheumasuchen haben einen leitliniengerechten Grund (erhöhte Entzündungswerte im Labor, warme Gelenkschwellungen, nächtliche, weckende Rückenschmerzen, eine Morgensteifigkeit von über einer Stunde, einen Nachtschweiß, eine Augeninnentzündung oder eine Familienanamnese mit Rheumatikern). 90 % der Rheumasuchen sollen „zur Abklärung“ zum Rheumatologen.
    • Sechzig Prozent, mehr als die Hälfte der Patienten, kommt ohne Unterlagen. Von den 15 Minuten, die für eine Erstvorstellung vorgesehen sind, vergehen dann eher 20 als 10 beim Zusammentelefonieren der Befunde. Selbst Patienten mit „Notfallzuweisungen“ und Code über die Terminservicestelle kommen oft ohne Unterlagen. Wenn alles zusammengesucht ist, finden sich hinter der Überweisung „Rheumasuche“ aktuelle und komplette Rheumaausschlüsse oder Klinikunterlagen, die das zu suchende Rheuma schon gesichert haben einschließlich Therapievorschlägen. Das nervt.
      Natürlich darf man sich als Patient eine Zweitmeinung einholen, auch wenn das streng genommen keine Kassenleistung ist und privat bezahlt werden müsste. Deshalb die Röntgenbilder (Strahlenschweinerei) oder das Labor (Kosten, Zeitverlust) neu machen darf man nicht.
      Natürlich kann man als Rheumapatient auch den Behandler wechseln. Aber dies ohne Papiere und ohne die Information „Rheuma bekannt“ als absichtlich als Suchspiel zu betreiben, ist ein guter Grund, den Patienten wegen gebrochenem Vertrauensverhältnis (Zurückhalten wesentlicher Informationen) nicht zu übernehmen oder beim geringsten Anlass hinauszusetzen.
    • Ein Fünftel der Patienten hat eine Überweisungsdiagnose, aus der hervorgeht, dass sich der Patient die Überweisung bei der Medizinischen Fachangestellten ohne konkreten Verdacht auf ein Rheuma geholt hat. „AWDP“ (auf Wunsch des Patienten), „zur Abklärung“ (Text zu Ende, nicht zur Abklärung von…),  „zur Verlaufskontrolle“ (eines noch nie gesehenen Menschen) und „fachfremde Erkrankung“ sind häufige Nonsenstexte. Der Patient kann wenig dafür. Als Arzt sollte man sich schämen, seine Unterschrift unter derartige Überweisungen zu setzen.
    • Eine besondere Freude sind Zuweisungen einer neuen Ausbildungsrichtung, des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie. 2005 wurde der Facharzt für Orthopädie abgeschafft und mit der chirurgischen Spezialisierung für Unfallheilkunde zu einem gemeinsamen Facharzt zusammengelegt. Die Kollegen sind sicher geschätzte Operateure und in ihrem Fach hochkompetent. Wenn ich als Überweisungsgrund „Verdacht auf Arthrose“ lese, dann fürchte ich, die nichtoperative und diagnostische Ausbildung musste deshalb zurückbleiben. Danach sehen zumindest die Überweisungstexte häufig aus.
    • Es gibt auch Zuweisungen von Hautärzten zur Suche nach Schuppenflechtenrheuma und von Augenärzten – zu 2/3 dieser Zuweisungen finden wir ein Rheuma – es geht also besser und deshalb sind wir da auch schneller bei der Terminfindung.

    Es gibt zu viele medizinisch nicht begründbare, doppelte, dreifache und vierfache Rheumasuchen und damit eine Fehlauslastung der Rheumatologen. Deshalb wird immer wieder mal ein Programm nach dem anderen zur Verbesserung der Zuweisungsqualität aufgelegt, das eine Vorsortierung der dringenden Patienten bewirken soll.  Rheuma-VOR war hier ein löbliches Beispiel.

    Als Konsequenz aus der verbesserungswürdigen Anfragenqualität haben wir

    • Ein Formblatt für eine Anmeldefax Rheumatologie. Wenn das ausgefüllt ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der anfragende Arzt einen Termin erwirkt. Die Wahrscheinlichkeit steigt, wenn ein auffälliges Labor dabei ist.
      Es gibt eine Möglichkeit, wegen Fortsetzung einer Therapie nach Klinik oder bei Berentung des aktuellen Behandlers Termine zu bekommen. Unterlagen müssen dabei sein, denn wenn wir die Patienten eines ausgefallenen Kollegen als Hunderterpack ins vollgepackte laufende Programm übernehmen, dann ist eine Aktensuche nicht möglich. Die Situation hatten wir schon mehrfach.
    • die Möglichkeit, bei Frau Dr. Sensse eine Rheumasuche machen zu lassen. Sie ist keine Rheumatologin, arbeitet aber seit 2002 in einer rheumatologischen Praxis. Sie hat jetzt schon mindestens 10 Rheumasuchen am Tag. Wenn es Fragen gibt, reden wir intern miteinander. Die Möglichkeit, dann intern zu wechseln, gibt es aus medizinischen Gründen, aber nicht auf Wunsch. Die freie Arztwahl ist ein theoretisches Konzept, das durch die realen Kapazitäten begrenzt ist.
    • keine ausgewiesene Privatsprechstunde. Natürlich behandeln wir auch Privatpatienten. Alles andere wäre Diskriminierung. Eine bevorzugte Behandlung von irgendwem (Fussballer, Gamsener Prominenz, Youtuber und InfluencerInnen, Privatpatienten) verbietet sich, wenn man selbst das dringende Verfahren nicht immer bedienen kann.

    Wenn das nicht reicht, sind wir nicht die richtige Praxis. Wir glauben an ein Leben nach dem Feierabend. Man muss es sich aber verdienen.